Seniorenwohnen in historischem Umfeld: Quartier Sonnengrün in der Karlsruher Gartenstadt #throwback
10·2022
Über 100 Jahre Geschichte: Die Karlsruher Gartenstadt gehört zu den ältesten deutschen Gartenstädten, die nach den Grundsätzen der Reformbewegung geplant wurden. Diese entstanden Ende des 19. Jahrhunderts im angelsächsischen Raum mit dem Ziel, die Vorzüge des Lebens in der Stadt mit denen des naturnahen Lebens auf dem Land zu verbinden. 1907 gründete sich die Baugenossenschaft Gartenstadt Karlsruhe eGmbH,1911 wurde mit dem Bau im Stadtteil Rüppurr begonnen. Schon ein Jahr später wurden die ersten 42 Häuser bezogen.
Historisches Wohnen im Grünen modern gedacht
Was zur Bau- und Planungszeit revolutionär war, ist auch rund 100 Jahre später noch immer beliebt, erfüllt jedoch nicht mehr alle Anforderungen an Barrierefreiheit und Niederschwelligkeit, die man sich von heutigem Wohnen insbesondere im Alter oder mit Handicap wünscht. Die Gartenstadt hat daher ein Konzept für eine Wohnanlage für Senior:innen entwickelt, die ihren Mitgliedern einen unkomplizierten Umzug im Alter und zugleich den Verbleib im vertrauten Quartier ermöglichen will, ohne Gärten bewirtschaften zu müssen.
Unter dieser Zielsetzung entwarfen und realisierten wir zwischen 2009 und 2012 auf einer Brachfläche das Quartier Sonnengrün. Entstanden sind 78 Wohneinheiten in neun Häusern, im wesentlichen Zwei- und Dreizimmerwohnungen von rund 50 bis 70 m2 mit variabel nutzbaren Grundrissen. Weitgehend nach Süden ausgerichtet haben die Wohnungen großzügige, mit robustem, natürlich vergrauendem Zedernholz verkleidete Balkone oder Terrassen und sind mit einer gehobenen Ausstattung versehen. Ein Großteil ist barrierefrei über Aufzüge zu erreichen. Und der Name ist Programm: Im Zusammenspiel mit den Westgärten der alten Gartenstadt und den begrünten Dächern entstand ein trotz seiner nötigen Verdichtung sehr durchgrüntes Quartier.
Die „Grüne Wand“ – vom Zankapfel zum Vorbild
Besonderes Charakteristikum des Quartiers ist die „Grüne Wand“, die das Wohngebiet von der vielbefahrenen Hauptverkehrsstraße abschirmt. Zunächst sehr umstritten, hat sich die Idee nach dem Bau bewährt: Ruhe, Sichtschutz, dabei begrünt und dynamisch gestaltet, ist die „Grüne Wand“ heute ein zum Vorbild gewordenes Element des Quartiers, das nicht mehr wegzudenken ist. Vorbild war die Idee einer bewohnbaren Schallschutzwand in London aus den 1950er-Jahren von Ralph Erskine. In Karlsruhe wurde sie im Wechsel mit den Wänden der neun Häuserzeilen aus sandsteinrot verkleideten Betonfertigteilen gebildet. Lichtdurchlässige Glaselemente an den oberen Enden, Fensteraussparungen und die Bepflanzung sorgen für eine dynamische Wirkung der Mauern.
Erschließung, Energie und Freiraum
Die erforderlichen Stellplätze sind unterirdisch untergebracht, die Zugangswege in das vorhandene Erschließungsnetz eingebunden und autofrei; lediglich Möbelwagen und Krankenversorgung dürfen in das Quartier fahren. Hinzu kommen zahlreiche Fahrrad-Abstellmöglichkeiten. Jedes Haus hat eine Sammelbriefkastenanlage sowie einen überdeckten und begrünten Standort für den Hausmüll. Für die Mitglieder der Genossenschaft steht zudem ein barrierefreier Veranstaltungsraum zur Verfügung. Ein neu geschaffener Quartiersplatz mit der angegliederten Nutzung eines Gemeinschaftsraums schafft Begegnungsmöglichkeiten und bietet die Möglichkeit zum Feiern und ähnliches. Zukunftsweisend und noch neu zur Bauzeit: Geheizt wird mit Holzpellets und Gasbrennwerttechnik. Die Energieversorgung erfolgt zentral durch ein zweifaches und damit störungssicheres System. Damit entspricht das Quartier Sonnengrün den Anforderungen des KfW-Standards Effizienzhaus 55, was nahezu Passivhaus-Standard bedeutet.
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